Freitag, 25. September 2015

Wolf Hamm: Literatur auf Hundepfoten: Frisch weiter



Siebter Tag
Ein Rauhaardackel bin ich. Meine Rasse ist belastbar und robust. Eine der ältesten Hunderassen. Heute war ich schon wieder voller Kraft. Nach sooo langer Zeit konnte ich wieder Mira beschnüffeln und sie mich. Mir fiel auf, dass ich die Mitwanderer, außer Auguste und Vaclav, kaum beachtet hatte. Trotz meiner Verliebtheit wanderte ich d.h. wechselten Mira und ich von einer Gruppe zur anderen. Wir hörten zu, wie sich jemand über die ungezogene Absage eines Verlags beklagte. Andere erzählten davon, dass sie den und den Preis gewonnen hätten und sogar ins Griechische übersetzt worden seien. Andere berichteten von den Seelenqualen, mit denen sie seit zehn Jahren an ihrem Roman arbeiteten. Wirklich, es war eine literarische Gesellschaft. Ich bellte bei der Leiterin ein wenig mit, denn ich möchte ja auch, dass meine Literatur veröffentlicht wird. Man soll dabei ja viel verdienen. Werde ich wohl auch brauchen, denn Mira ist anspruchsvoll. Ich habe ganz lieb gebellt, wenigstens für einen Rauhaardackel.
Mira fand Literatur nicht so wichtig. Sie übte immer wieder, wie sie anmutig auf dem Laufsteg bei Schönheitswettbewerben gehen soll: „Soll ich die Hüfte mehr hin- und herschwingen? Soll ich mit den Zehenspitzen auftreten oder von der Ferse her den Fuß abrollen lassen.“ Ich sagte nur: „Was du auch machst, für mich bist du die Schönste.“ Scheint mit dieser Auskunft aber nicht ganz zufrieden zu sein, denn sie sagte nur: „Männer!“.
Nach den vierundzwanzig Kilometern nach Chudenice war ich noch so munter und so an Literatur interessiert, dass ich zur abendlichen Lesung ging. Hätte ich auch vermeiden sollen. So eine komische Geschichte las ein uralter Bartträger vor. Da will seine Hauptfigur unbedingt in eine Burg, auf der nichts los ist. Und am Schluss ist er glücklich, dass er als Pförtner Autos ein- und ausfahren lässt, in denen niemand sitzt. So ein wirres Zeug. Nur Mira, meine Mira, sagte schnippisch zu mir. „Dieses Stück Literatur hat einen hohen filosofischen Wert. Vielleicht hast du nicht die richtige Einstellung dazu.“ Ich habe diesen Autor verflucht, verdirbt mir doch den ganzen Abend und vielleicht sogar meine Beziehung zu Mira!!!

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