Frisch
auf!!
Lange
hatten wir auf diesen Tag gewartet und endlich ging es los. Um 6.00 Uhr regnete
es noch und ich traute mich nicht aus dem Bett. Welch ein Glück, als die
Regenjacke dann doch nur in meinem Rucksack landete. Mittags spannte ich zwar in
Laub meinen kaputten Regenschirm auf, allerdings war das nur eine Geste, damit
ich wenigstens einmal mit meinem kaputten Schirm im Mittelpunkt stehe. Dieses
ist mir auch gelungen. Ich wurde sogar gefilmt. Mein Gott, ich lande im Film!!
In meiner Jugend träumte ich davon, in einem
Western mitzuspielen. Natürlich mit James Stewart. Heute hätte ich Clint Eastwood gesagt, aber die Hoffnung, einmal durch die Prärie zu
reiten, habe ich inzwischen verloren. Immerhin wurde ich damals auf unserer
Laienspielbühne erschossen. Leider fing das keine Filmkamera ein, als ich mit
großem Stolz von der Bühne stürzte. Aber jetzt war es mir gelungen mit einem
kaputten Regenschirm in der Hand vor einer Filmkamera zu stehen. Und so bin ich
dann doch über den Frust des Vormittages hinweggekommen.
Es war
nämlich so: Auf der Steinernen Brücke
wanderten wir nicht über Pflastersteine. Shit happens. Mein Gedicht über
die Brücke werde ich umschreiben müssen, sonst ist es nicht mehr zeitgemäß,
dachte ich in diesem Moment. Und dann wanderten wir entlang der Autobahn. Nein,
natürlich nicht auf dem Standstreifen! Ich wollte nur sagen, ich knipste einen
Lastwagen mit leuchtend orangener Plane und zeigte das Foto einer mir
unbekannten Dame, die mit uns wanderte und zufällig in meiner Nähe war.
»Wollten Sie mich damit beeindrucken?«, fragte sie und ich war sichtlich
verwirrt. Keine Ahnung, was in manchen Frauenköpfen vor sich geht. Jedenfalls
war ich nicht mehr bei so guter Laune. Der Tag begann erst so richtig
interessant zu werden, als ich mit dem ollen Schirm endlich vor der Kamera
stand. Das wir dann noch einen Storch bewundern konnten, war ein kleiner
Höhepunkt des Tages. Allerdings ist er auf meinem Foto nur ein weißer Fleck im
Gras.
Abends gab
es das erste Schnitzel. Das betone ich deshalb, weil es am zweiten Tag das
zweite Schnitzel gab. Mittags in Marienthal hätte es ein drittes geben können.»Schnitzel«,
trällerte ich über den Tisch und wedelte mit der Speisekarte. Mir wäre es nie
im Traum eingefallen, dass sich jemand an mein gestriges Schnitzel erinnern
könnte. Ich sah keinen Sinn darin, warum ich mir merken sollte, was andere
essen, aber es gibt Leute, die machen eben
genau das. Und so kam es, dass ich einen griechischen Salat bestellte,
damit ich nicht als Schnitzelvielfraß in Erinnerung bliebe. Sie müssen sich das
so vorstellen. Mit meinem Salat saß ich zwischen zwei Wildschweinragouts. Das
fiel doch erst recht auf und es ist kein Zufall, dass jemand besorgt bemerkte,
ich werde von den Blättern nicht satt. Wie aus einem Drehbuch kam das
geschossen. Ich brauchte nur darauf zu warten. Wer weiß, vielleicht wäre diese
wackelige Fähre, mit der wir über den Regen schipperten und die eher wie ein
riesiges Ruderboot aussah, untergegangen, wenn ein Wildschwein in meinem Magen
gelegen hätte. Es war sowieso ein Wunder, dass niemand ins Wasser fiel. Wie
dankbar waren doch einige schreckhafte Damen, als das Boot wackelte und sie
beinahe eine unfreiwillige Einladung für ein Spätsommerbad erhielten, sich im
letzten Moment aber auf mich abstützten, um nicht ihr Gleichgewicht zu
verlieren. Ich saß da nämlich recht günstig zwischen ihren Beinen und
verhinderte das Schlimmste. So ging der zweite Tag unserer Wanderung ohne
besondere Vorkommnisse zu Ende und nach der Lesung schmerzten immer noch meine
Füße. Aber wenn ich mir meine Schuhe mit den dünnen Sohlen betrachte, so konnte
es auch nicht anders sein.
Wer wandert, darf auch Schnitzel essen!
AntwortenLöschenFinde ich auch.
LöschenSchön, das du trotz Fußschmerzen eine solch tolle Geschichte geschrieben hast. Daran sieht man wieder mal, dass unter Wehen geborene Texte überzeugen. Mach weiter so, lieber Martin, "soweit die Füße tragen".
AntwortenLöschenVielen Dank. Zur Not gehe ich auch barfuß nach Pilsen und freue mich wahnsinnig wieder morgen bei euch zu sein.
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